Handwerkskammer Schwerin und IHK zu Schwerin ziehen die Bilanz des Wirtschaftsjahres 2019 und geben einen Ausblick auf 2020.Gebremster Aufwind: Bilanz und Ausblick für die Wirtschaft in Westmecklenburg

Gemeinsame Pressemitteilung der Handwerkskammer Schwerin und der IHK zu Schwerin

Gebremster Aufwind: Bilanz und Ausblick für die Wirtschaft in Westmecklenburg

Mit 2019 endet ein für die Westmecklenburger Wirtschaft insgesamt eher wechselvolles Geschäftsjahr. Während im Handwerk immer noch gut laufende Geschäfte und übervolle Auftragsbücher das Bild prägen, ist die Stimmung in der Industrie schon deutlich trüber geworden.

Kraftvolle Wirtschaft

Das Handwerk ist mit gewohntem Schwung in das Jahr 2019 gestartet. Rund 95 Prozent der Handwerker bezeichnen ihre aktuelle Geschäftslage ganzjährig als gut oder befriedigend. Die prall gefüllten Auftragsbücher haben aber vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels auch wieder für deutlich längere Wartezeiten bei den Kunden geführt. Mit Blick auf einzelne Branchen ergeben sich zudem Unterschiede: So ist der Kfz-Bereich deutlich weniger positiv gestimmt als die Bau- und Ausbauhandwerke. In der zweiten Jahreshälfte zeigt sich auch in den Zulieferbetrieben vermehrte Skepsis. „Nur mit wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen und einer wirtschaftsfreundlichen Politik kann das Handwerk der Stabilitätsanker bleiben. Nach wie vor fehlt eine leistungsfähige digitale Infrastruktur, eine wettbewerbsfähige Steuerpolitik und eine spürbare Entbürokratisierung“, so Dr. Gunnar Pohl, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Schwerin.

Das Jahr 2019 ist für die IHK-zugehörigen Unternehmen in Westmecklenburgs größtenteils gut verlaufen. Während im Bauhauptgewerbe von einer sehr guten und im Bereich der Dienstleister von einer guten Situation gesprochen werden kann, sind die Einschätzungen im verarbeitenden Gewerbe, insbesondere bei Automobilhändlern und deren Dienstleistungen, zum Jahresende verhaltener geworden. Export orientierte Unternehmen belasten die schwächere Weltwirtschaft sowie die internationalen handelspolitischen Spannungen. Dennoch blieb der IHK-Konjunkturklimaindex für Westmecklenburg mit zuletzt 122,3 Punkten das ganze Jahr über dem bundesdeutschen Niveau.

 „Hier zeigt sich die stabilisierende Wirkung der Ernährungswirtschaft und der maritimen Unternehmen zurzeit auf die Region. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass einzelne Unternehmen in schwierige Fahrwasser kommen. So sind zum Beispiel die Exporterwartungen deutlich zurückgegangen“, gibt Matthias Belke, Präsident der IHK zu Schwerin, zu bedenken. „Die geopolitischen Spannungen gehen auch an Mecklenburg-Vorpommern nicht spurlos vorbei.“

Vorsprung durch Wissen / Ausbildung und Beschäftigung

Die Industrie- und Handelskammer zu Schwerin verzeichnete zum 1. Oktober 2019 insgesamt 1.259 neue Berufsausbildungsverträge. Unter den neuen Verträgen sind auch 112 Verträge mit ausländischen Jugendlichen aus 17 Ländern. Das ist ein Zuwachs zum letzten Jahr um 15 Ausbildungsverträge. Die neuen Ausbildungsverträge mit den ausländischen Jugendlichen kommen aus Syrien, Vietnam, Spanien, Afghanistan sowie der Ukraine. Damit befinden sich aktuell 247 ausländische Jugendliche in der Berufsausbildung in den IHK-Unternehmen Westmecklenburgs. Die Sicherstellung eines hohen Ausbildungsniveaus sowie die Gewinnung von Jugendlichen für eine Ausbildung in Westmecklenburg sind wesentliche Bausteine der Fachkräftesicherung. Daher war die IHK zu Schwerin auch 2019 aktiv, um für die duale Berufsausbildung in Westmecklenburg zu werben. Dazu waren die IHK-Berufsberater unter anderem auf 25 Berufsmessen präsent und führten 49 Aktionstage in 40 Schulen durch oder begleiteten aktiv den Unterricht. Insgesamt wurden rund 3.200 Beratungsgespräche mit Jugendlichen und Eltern geführt. Diese Angebote für die Westmecklenburger Unternehmen werden auch 2020 weiter umgesetzt.

Im Handwerk wurden zum Stichtag 31.10. in den Betrieben 709 Ausbildungsverträge neu geschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr ergibt dies eine Steigerung um 8,1 Prozent. „Unsere für 2019 ausgerufene Ausbildungsoffensive hat Früchte getragen“, so Gunnar Pohl. „In gemeinsamer Anstrengung der Betriebe und der Organisationen des Handwerks ist es uns gelungen, dass wir als zunehmend attraktiver Ausbilder und Arbeitgeber wahrgenommen werden. Darauf wollen wir in den kommenden Jahren weiter aufbauen. Das beste Konzept gegen den Fachkräftemangel ist immer noch der selbst ausgebildete Nachwuchs.“

Am 24. und 25. Januar 2020 bietet sich den Handwerksbetrieben die erste große Gelegenheit, nach diesem Nachwuchs zu suchen. An den „Tagen der offenen Werkstatt“ im kammereigenen Bildungszentrum in Schwerin-Süd können sich die Betriebe Schülern aus Abgangsklassen und am Samstag auch ganzen Familien mit ihren Ausbildungsberufen und -angeboten vorstellen. Das in diesem Jahr neu eingeführte Qualitätssiegel „Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb der Handwerkskammer Schwerin“ wurde 2019 an 11 Betriebe vergeben.

Gemeinsam zur Weltspitze

Innovationen sind der Treiber zum Erhalt der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit. Die Rahmenbedingungen wie der weiterhin zügige Ausbau des Breitbandnetzes, der flächendeckenden Verfügbarkeit von Mobilfunk (LTE) sowie die zeitnahe Umsetzung des Kommunikationsstandards 5G sind wesentliche Grundlagen, um Innovationen zu entwickeln und anzuwenden. „Ein weiterer Baustein ist der Ausbau des Forschungs- und Wissenschaftsstandortes Westmecklenburg. Denn Spitzeninnovationen brauchen kluge Talente, die hierbleiben oder hierherziehen“, konstatiert Siegbert Eisenach, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin. Zur Weltspitze werden kann die Region Westmecklenburg zum Beispiel auch bei dem Thema Wasserstoff gemeinsam mit den Partnern innerhalb der Metropolregion Hamburg (MRH). Das bescheinigt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrer umfassenden Studie über die MRH. Dafür bedarf es insbesondere einer vertieften Kooperation über die Ländergrenzen hinweg.

Potenzial zur Weltmarktführerschaft – Energiewende nutzen

Westmecklenburg hat durchaus realistische Chancen, die Energiewende zu einem deutlichen wirtschaftlichen Durchbruch für sich zu nutzen. Zukünftig sollte man sich deshalb nicht mehr ausschließlich auf die Erzeugung von Windstrom konzentrieren. Vielmehr müssen die erneuerbaren Energien in Wasserstoff oder andere Gase umgewandelt, anschließend gespeichert und für Haushalte, in der Industrie und für die Mobilität genutzt werden. Wasserstoff kann ein zentraler Baustein sein, um die Energiewende auch zum deutlichen Vorteil für ganz Mecklenburg-Vorpommern zu nutzen. Mit Blick nach vorn bedarf es zur Umsetzung einer solchen Strategie mutiger Entscheidungen der Landesregierung MV und eines engen Schulterschlusses mit den norddeutschen Ländern. Die Erzeugung von Wasserstoff vor Ort und deren Einsatz im LKW-Betrieb ist ein erster aktueller Ansatz. Immerhin: Die OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kommt in ihrem Bericht zur Regionalentwicklung der Metropolregion Hamburg 2019 zu einer klaren Erkenntnis. Demnach hat der Norden Deutschlands das Potenzial zur Weltmarktführerschaft auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien!

Der Landesinnungsverband der Elektro- und Informationstechnischen Handwerke Mecklenburg-Vorpommern hat eine vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung geförderte Kampagne „MV-tankt-Strom“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, den Klimaschutz in den kommenden drei Jahren mithilfe der vielen, verschiedenen und wirkungsvollen Facetten von Elektromobilität nachhaltig zu unterstützen und das Handwerk als kompetenten Ansprechpartner für die Konzeption, Installation, Abnahme und Wartung privater Ladeinfrastruktur am Markt zu etablieren.

M-V digital!

Mit der digitalen Agenda reagierte die Landesregierung auf die stetig steigenden Anforderungen an die Unternehmen: Industrie 4.0 ist mehr als ein Schlagwort: Es umfasst die vielfältigen Veränderungen in der Wirtschaft. Neben den schnellen Breitbandverbindungen bedarf es eines lückenlosen Funknetzes. Die im Aufbau befindlichen digitalen Innovationszentren können die Keimzelle für neue digitale Start-ups werden. Damit reagiert das Land auch auf die Veränderungen in der Unternehmenslandschaft. Digitale Geschäftsmodelle sind weltweit führend.

Weltweit mit Erfolg

Botswana, Finnland, Israel, Japan, Niederlande, Österreich, Polen, Russland, Schweden, Schweiz, USA – die Angebote zur Markterschließung und -bearbeitung der IHK zu Schwerin waren vielfältig. Hinzu kommen rund 1.500 Beratungen und zahlreiche Seminare zu Zollfragen. Der Bereich International der IHK zu Schwerin hat im Jahr 2019 über 3.100 Außenwirtschaftsdokumente ausgestellt. Damit begleitet die IHK-Organisation aktiv Unternehmen bei ihrem Auslandsgeschäft, die unter anderem umfangreiche Einfuhrbestimmungen beachten müssen.

Die IHK zu Schwerin wird auch in 2020 die Unternehmen Westmecklenburgs bei ihrem außenwirtschaftlichen Engagement mit weitereichenden Angeboten unterstützen. Bereits im Februar 2020 wird eine Delegationsreise für Start-ups und innovative Unternehmen nach Israel durchgeführt. Dabei steht unter anderem die „Israel Industrial Week 4.0“, B2B-Gespräche sowie Unternehmensbesuche auf dem Programm. Im April 2020 wird die IHK zu Schwerin die „Deutsche Woche“ in Sankt Petersburg mit einem Fachworkshop begleiten. Erneut wird es Workshops und Wirtschaftstage unter anderem zu Irland, den Benelux-Staaten sowie zu den arabischen und asiatischen Wirtschaftsräumen geben.

„Messeauftritte, um seine wettbewerbsfähigen Produkte und Dienstleistungen international zu präsentieren, sind ebenfalls fester Bestandteil für unsere Unternehmen. Daher organisieren und betreuen wir als IHK den gemeinsamen Messestand des Landes MV auf der Hannover Messe, die vom 20. bis zum 24. April 2020 stattfindet“, ergänzt Siegbert Eisenach. „Zusätzlich wird es auch wieder den „Tag der Industrie MV“ geben, der am 23. April im Convention Center der Hannover Messe stattfinden wird.“

Die Handwerkskammer Schwerin konzentriert sich bei den von ihr organisierten Messechancen für die Mitgliedsbetriebe auf die Internationale Handwerksmesse (IHM) in München, die mitteldeutsche handwerksmesse in Leipzig sowie auf die MeLa 2020 in Mühlengeez.

Bürokratische Belastung steigt

Für alle Branchen kritisieren die Kammern in Westmecklenburg eine zunehmende Flut an bürokratischen Lasten. Jüngstes Beispiel sind die gestiegenen steuerlichen Anforderungen an die Kassenführung. Nachrüstung von technischen Sicherheitseinrichtungen, Einzelaufzeichnungspflicht, Verfahrensdokumentation und auch die ist die ab 2020 geltende Belegausgabepflicht für elektronische Registrierkassen erweisen sich als große Belastung für Unternehmen. „Kleinere Händler, Gastronomen oder Bäcker befürchten zu Recht, dass mit der Bonausgabepflicht erhebliche Mehrkosten für Papier, Druck und Entsorgung auf sie zukommen“, sagen die Kammerhauptgeschäftsführer. „Selbst für kleinste Kassenbeträge einen umfangreichen Ausdruck auf Thermopapier vornehmen zu müssen, kann kein Betrieb verstehen, der auf der anderen Seite immer mehr Umweltauflagen erfüllen soll.“ Zudem konterkariere dieses Gesetz alle Maßnahmen, die Digitalisierung voranzubringen und immer papierloser zu werden. Um die Bürokratiekosten für die Betriebe zu ermitteln beteiligt sich auch die IHK zu Schwerin am deutschlandweiten Projekt „Bürokratiebremse in der Praxis“. Ein Lichtblick zeigte sich dennoch zum Jahresende: Mit dem Bürokratieabbaugesetz III hatte die Bundesregierung zahlreiche Forderungen der Wirtschaft aufgegriffen. Um das Gründungsgeschehen voranzubringen wurde die Grenze der Umsatzsteuervorauszahlung angehoben. Gerade junge Unternehmen haben geringe Umsätze. Monatliche Vorauszahlungen bremsen die Unternehmen in der Startphase.

Abgelehnt werden die Bestrebungen von Seiten der EU: Angedacht ist ein allgemeines Klagerecht aller Betroffener bei Vorhaben, die gegen Umweltbelange verstoßen könnten. Damit würde der Bogen überspannt, ist sich die norddeutsche Wirtschaft mit den zwölf Industrie- und Handelskammern einig. Bereits jetzt sind die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu lang. Eine von der EU angedachte Erweiterung der Beteiligungsrechte würde Infrastruktur- und Investitionsvorhaben nahezu unmöglich machen.

Erfolgsraum Altstadt

Attraktive Innenstädte mit abwechslungsreichen Angeboten erhöhen die Lebensqualität der gesamten Region. Mit dem großem Wettbewerb „Erfolgsraum Altstadt“ prämierte die IHK zu Schwerin zusammen mit ihren Partnern erstmalig in ganz Westmecklenburg sowohl Neugründungen als auch etablierte Geschäfte und ihre neuen Ideen. „Der Wettbewerb hat nochmal unterstrichen, wie attraktiv unsere Innenstädte in Westmecklenburg sind“, freut sich Siegbert Eisenach. „Die Prämierten der Vorjahre sind aus dem Stadtbild der Landeshauptstadt nicht mehr wegzudenken. Auch die diesjährigen Ideen von Wismar bis Boizenburg werden mit ihrem Erfolg zur Attraktivität ihrer Stadt nachhaltig beitragen.“

Ausblick

Trotz der aktuell sehr guten Konjunkturlage schließt auch das Handwerk für das kommende Jahr eine Abschwächung nicht aus. „Wir sind weiterhin optimistisch, wenngleich erste Unsicherheit entsteht, ob die Binnenkonjunktur nicht doch von den globalen Entwicklungen beeinträchtigt wird“, so Pohl. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen erwartet das Handwerk aber immer noch gute Geschäfte.

Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland hat zuletzt nachgelassen. Die wirtschaftlichen Aussichten sind daher auch für Westmecklenburg ungewiss. Die Nachfrage nach Personal bleibt gesamtwirtschaftlich jedoch auf einem hohen Niveau. Das zeigt ebenfalls das große Interesse der Unternehmen zu den Rückkehrertagen am 27. Dezember 2019 in Wismar und Schwerin. Mit Blick auf die demografische Entwicklung wird sich der Wettbewerb um die besten Köpfe und Talente noch weiter intensivieren. Die Wirtschaft hofft daher mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG), das ab März 2020 in Anwendung tritt, ein effektives Instrument zu erhalten, um qualifizierte Mitarbeiter für ihre Unternehmen zu gewinnen. Die IHK zu Schwerin wird ihre zugehörigen Unternehmen auch bei diesem wichtigen Thema aktiv begleiten.

Im kommenden Jahr wollen die Kammern sich vor allem gegen die ausufernde Bürokratie in den Betrieben und für die duale Berufsausbildung stark machen. „Von den Regierungsparteien haben wir die Einführung eines Azubi-Tickets gefordert“, berichtet Hauptgeschäftsführer Pohl. „Auf breiter Basis der Kammern, der Gewerkschaften und der Verbände haben wir deutlich gemacht, dass die dafür notwendigen Mittel noch in den nächsten Doppelhaushalt eingestellt werden müssen.“