Baustelle
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Die Auftragsberatungsstelle (ABST) M-V informiert zum Erlass über die Verwendung von Stoffpreisgleitklauseln bei öffentlichen Aufträgen zu Baumaßnahmen der staatlichen und kommunalen Hochbauverwaltung vom 31.08.2021. Stoffpreisgleitklauseln und öffentliche Aufträge

Die Verwendung von Stoffpreisgleitklauseln

Die Corona-Pandemie hat viele Bereiche unseres Lebens stark beeinflusst. Durch wiederholte, weltweite Lockdowns standen Rohstoffgewinnung und Produktion in vielen Ländern still. Die Märkte wurden in dieser Zeit nicht mit Waren versorgt. Folge ist, eine gestiegene Nachfrage nach vielen Produkten (Holz, Stahl, Kupfer, Kies, Sand, Gips, Dämmstoffe, Rohrleitungen, Farben, Heizkörper usw.).

Schon in der Schule wurde und wird gelehrt, dass preisbildende Faktoren für Waren und Güter Angebot und Nachfrage sind. Aktuell steht eine große Nachfrage einem kleinen Angebot gegenüber. Wann die weltweiten Warenströme wieder in normales Fahrwasser kommen, ist zurzeit nicht absehbar.

Viele Rohstoff- und Produktpreise sind für Unternehmer schlicht nicht kalkulierbar. In der Privatwirtschaft ist dies eher ein Problem des Auftraggebers. Bei der Ausführung öffentlicher Aufträge gestaltet sich dies jedoch schwieriger.

Im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung nach Durchführung eines Vergabeverfahrens stehen alle zu erbringenden Leistungen und die dafür anfallenden Preise fest. Aufgrund der unsicheren Rohstoffpreisentwicklung kann das Risiko aber nicht allein beim Unternehmer liegen. Dieses Szenario würde dazu führen, dass öffentliche Auftraggeber schlicht keine Angebote mehr bekommen.

Zur Vermeidung von Nachteilen für Auftragnehmer besteht die Möglichkeit der Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel. Vereinfacht ausgedrückt können einzelne Rohstoffe oder Güter zum Tagespreis gehandelt werden.

Das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern haben am 31.08.2021 eine gemeinsame Verwaltungsvorschrift erlassen. Der Stoffpreisgleitklauselerlass Hochbau – StGEHB M-V – regelt den Umgang mit dem Medium der Stoffpreisgleitklausel für neue Vergabeverfahren, laufende Vergabeverfahren und bestehende Verträge. Der Erlass ist vorerst gültig bis zum 31.12.2023.

Anwendung für neue Vergabeverfahren

Vor Einleitung des Vergabeverfahrens steht die Prüfung, ob und inwieweit die Voraussetzungen zur Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel vorliegen. Bei Verwendung der Formulare des Vergabehandbuch des Bundes (VHB Bund) sind im Formblatt 225 alle Stoffe anzugeben, die der Preisgleitung unterworfen werden sollen. Das Formblatt ist den Vergabeunterlagen beizufügen und enthält die Basiswerte und Preisindizes für die spätere Berechnung der vom Auftraggeber zu zahlenden Stoffpreise.

Die Verwendung des Formblattes

Der von der Vergabestelle anzugebende Basiswert 1 ist der Netto-Stoffpreis (z.B. Euro je Tonne) im Zeitpunkt des Versendens der Vergabeunterlagen. Dieser ist zu ergänzen durch den in diesem Zeitpunkt gültigen Preisindex. Der Preisindex ist die Preissteigerungsrate zur Darstellung der Preisveränderung für den zu beschaffenden Rohstoff. Preisindizes für gewerbliche Produkte (Erzeugerpreise) werden im Güterverzeichnis des Statistischen Bundesamtes veröffentlicht und sind zu finden auf www.destatis.de, dort in der Fachserie 17, Reihe 2. Die Daten werden monatlich aktualisiert.

Der Basiswert 2 ist dann eine Fortschreibung des Basiswertes 1 unter Berücksichtigung des veränderten Preisindex für den jeweiligen Stoff im Zeitpunkt der Öffnung der Angebote. Der Basiswert 3 wird dann bei Abrechnung der Stoffpreise ermittelt. Dann werden die Mehr- oder Minderaufwendungen für jede im Formblatt 225 angegebene Position ermittelt und dem Angebotspreis hinzugerechnet bzw. von diesem abgezogen.

Anwendung in laufenden Vergabeverfahren

Vor Öffnung der Angebote kann die Vergabestelle noch einfach reagieren und die Vergabeunterlagen zur Einbeziehung der Stoffpreisgleitklausel ergänzen. Gegebenenfalls sind auch die Angebots-, Ausführungs- und Bindefristen anzupassen.

Ist die Angebotsöffnung bereits erfolgt, ist zu prüfen, ob eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe in Betracht kommt. Eine Rückversetzung kann zur Sicherstellung des Wettbewerbs und zur Vermeidung von Streitigkeit bei z.B. der Bauausführung dienen.

Anwendung bei bestehenden Verträgen

Grundsätzlich sind nachträgliche Anpassungen oder Veränderungen bestehender Verträge nicht zulässig. Eine nachträgliche Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln ist daher auch nur in besonderen begründeten Ausnahmefällen möglich.

Folgende zwei Möglichkeiten stehen in der aktuellen Lage zur Verfügung

Ist es dem Auftragnehmer nicht zuzumuten am Vertrag ohne Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel festzuhalten, kann eine Störung der Geschäftsgrundlag gem. § 313 BGB vorliegen. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist vom Auftragnehmer darzulegen und zu beweisen. Nur in wenigen Fällen liegt tatsächlich eine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Zurzeit ist aber alles anders, auch die Häufigkeit des tatsächlichen Vorliegens einer Störung der Geschäftsgrundlage.

Im zweiten Fall handelt es sich um die sog. Unmöglichkeit der Leistung. Ist es dem Auftragnehmer infolge höherer Gewalt nicht möglich – selbst bei Zahlung höherer Einkaufspreise – die notwendigen Baustoffe oder Güter zu beschaffen, wird er von er Pflicht zur Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistung frei. Für das Vorliegen höherer Gewalt oder eines unabwendbaren Ereignisses ist der Auftragnehmer auch hier darlegungs- und beweispflichtig. Das Vorliegen der Voraussetzungen aufgrund des Entwicklungen auf den Märkten infolge der Covid-19-Pandemie ist zwar bekannt, für den jeweiligen Einzelfall dennoch nachzuweisen.

Zur Unmöglichkeit der Leistung noch ein abschließender Hinweis. Wird der Auftragnehmer von der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung zur Leistungserbringung frei, wird im gleichen Zuge der Auftraggeber von der Erbringung der Gegenleistung (Zahlung des Entgelts) befreit.

Den Vollständigen Erlass nebst Anlagen und Erläuterungen hat die ABST MV auf ihrer Homepage bereitgestellt (Link zum Erlass). Sobald die Veröffentlichung auf dem Portal der Landesregierung M-V erfolgt ist, wird der Erlass auf der Homepage www.abst-mv.de im Bereich Info & Recht in den rechtlichen Grundlagen des Landes Mecklenburg-Vorpommern verlinkt.

Ihr Ansprechpartner:

Auftragsberatungsstelle (ABST) M-V

Lars Wiedemann

wiedemann@abst-mv.de

Tel. 0385/617 381-17